Hochspezialisierte Medizin - Spielball der politischen Willkür


 
 

Entscheide skandalös

Die von der HSM-Kommission gefällten Entscheide sind skandalös. Sowohl im Bereich der Onkologie als auch im Bereich der Viszeralchirurgie wurde HSM so breit definiert, dass viele gängige Behandlungen, die im Fall der Onkologie meistens sogar ambulant durchgeführt werden, hiermit erfasst und den öffentlichen Spitälern zugehalten werden können. Die Entscheide hierüber werden ohne Erfassung der Infrastruktur-, Prozess- und Ergebnisqualität gefällt und zeigen damit eindeutig ihren rein polititschen Charakter. Vorgeschoben wird eine Pseudoqualitätsargumentation der Fallzahlen: Im Beschluss steht unter anderem (unter 2. Auflagen, Absatz g): „Spitäler welche die geforderte Minimalfallzahlen nur gemäss der Übergangsregelung erfüllen (mind. 10 Fälle/Jahr), müssen vor Ablauf der 2-jährigen Übergangsfrist die definierte Mindestfallzahl von 25 Eingriffen pro Jahr erreichen, andernfalls wir der Leistungsauftrag aufgehoben. „
Im Fall der Neurochirurgie entschied die HSM gar so, dass dem schweizweit bezüglich Fallzahlen für die Behandlung von Rückenmarkstumoren führenden Neurochirurgen das Behandlungrecht zugunsten universitärer Institutionen entzogen werden sollte – weil er in privater Praxis tätig ist.
Die Argumentationen werden also gerade so konstruiert, dass in jedem Fall die grossen Häuser davon profitieren sollen. Die Stossrichtung ist klar:
Ziel der HSM-Kommission ist es, mit ihren Entscheiden die flächendeckende Verstaatlichung der Medizin voranzutreiben. Nachdem es den kantonalen Gesundheitsbehörden bei der Einführung der DRG nicht gelungen ist, mit dem selbsterfundenen Mittel der Spitalliste die Spitalmedizin in den öffentlichen Spitälern zu konzentrieren, wird jetzt auf Bundesebene mit dem Instrument der HSM dasselbe nochmals versucht. Worum es hierbei geht ist klar: Der privaten Medizin soll die Patienten entzogen werden, damit sie endlich aufs Sterbebett gedrängt werden kann, denn das Geld, welches die private Medizin erwirtschaftet, soll endlich vollumfänglich im staatlichen Topf landen, um zu helfen, die defizitären öffentlichen Spitäler zu finanzieren. Neben diesen monetären Motiven schlägt sicher auch die politische Couleur der aktuellen Gesundheitsdirektoren, die grossmehrheitliche der SP angehören, voll durch. Parteiideologie statt Sachpolitik eben.

Fallzahlen: Stellvertreterdiskussion über Qualität

Oft werden für die Legitimierung politisch motivierter dirigistischer Massnahmen minimale Fallzahlen angeführt. Damit soll suggeriert werden, dass hohe Fallzahlen automatisch bessere Qualität bedeutet. Leider ist es jedoch so, dass in vielen Bereichen der Medizin, wo dieser vermutete Zusammenhang untersucht wurde, keiner gefunden wurde. In bestimmten Bereichen, zB der Herztransplantation, es sich sogar so verhält, dass zwar unter einer Mindestanzahl Fällen pro Jahr die Resultate schlechter sein können, über einer bestimmten aber auch, weil dann die nötige hohe Individualisierung und der hohe Aufwand beim einzelnen Patienten verloren geht. Obschon dieses Wissen allgemein zugänglich ist, und davon ausgegangen werden kann, dass Fachgremien dieses auch kennen, werden Fallzahlen weiterhin forciert aus zwei Gründen: 1. Tönen sie für Laien plausibel und können so v.a. durch Politiker und Beamte leicht unhinterfragt als Argumentarium verwendet werden. Nur: bloss weil dieser Unsinn immer häufiger wiederholt wird, wird er nicht wahrer. 2. Wird mit den Fallzahlen die echte und dringend nötige Diskussion der Qualität umgangen. Es findet damit gleichsam eine Stellvertreterdiskussion über Qualität in der Medizin statt. Das Motiv dahinter ist klar: Die durch die fragwürdigen Entscheide der HSM gestützten und bevorteilten Institutionen haben zwar meist höhere Fallzahlen, vermutlich aber eine schlechtere Qualität als ihre Konkurrenten im privaten Sektor. Gründe dafür kann es viele geben, es soll jedoch eine direkte Vergleichsmöglichkeit durch Qualitätsmessungen verhindert werden. Diese Taktik wurde schon erfolgreich bei der Einführung der Fallpauschalen durch Erfindung der Spitallisten durch die Kantone angewendet. Der Gesetzgeber sah nämlich eine Übergangsperiode vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2014 vor, in der alle Spitäler unter DRG-Bedingungen ihre Leistungen erbringen sollten, begleitet von Massnahmen zur Qualitätserhebung und ökonomischer Analyse. Diese Übergangsperiode wurde von den Kantonen durch Bildung der Spitallisten, durch deren Zusammensetzung von den Kantonen auf fragwürdigste Weise festgesetzt wurde, welche Spitäler ab 1.1.2012 DRG Leistungen erbringen durften und welche nicht mehr, ausgehebelt. Gleichzeitig damit der Einführung der DRG der Möglichkeit beraubt, eine Qualitätserhebung zu bewerkstelligen, die direkte Vergleiche zugelassen hätte.

Auflagen: Forschung und Weiterbildung

Die Zuteilung von HSM Leistungen wird auch davon abhängig gemacht, an Forschung und Weiterbildung aktiv teilzunehmen. Hierbei wird gefordert, eine anerkannte FMH-Weiterbildungsstätte zu sein und an klinischen Studien teilzunehmen, Dissertationen und Masterarbeiten von Studierenden zu begleiten etc.
Diese Auflagen sind mit Absicht so definiert, dass nur Universitätskliniken und grosse Kantonsspitäler, sowie mit derartigen Institutionen verbandelte Kliniken diese erfüllen können. Diese Auflagen erfüllen die zugrundeliegende Absicht wunderbar, Macht und Einfluss der Unispitäler massiv auszudehnen und weitere Teile der Spitallandschaft direkt von ihnen abhängig zu machen.

Fazit

Der hehren Absicht der Schaffung von Kompetenzzentren in ausgewählten Bereichen der Spitzenmedizin erweist die HSM-Kommission einen Bärendienst. Die offensichtliche Instrumentalisierung dieses Gremiums und der Machtmissbrauch durch die Lobby des öffentlichen Gesundheitswesens und der Universitätsspitäler kann in dieser Form nicht akzeptiert werden. Dringend gefordert wird eine Diskussion auf der Basis fremderhobener und validierter Qualitätsindikatoren für die wichtigsten Leistungen der Spitzenmedizin, wobei die Definition dieser Leistungen durch ein neutrales Gremium vorgegeben werden muss (hier hat der Bundesrat komplett versagt und seine Arbeit nicht gemacht!).

Die Kommission zur Koordination und Konzentration der hochspezialisierten Medizin (HSM) muss in dieser Form deshalb gestoppt und abgeschafft werden.


Begriffe und Definitionen

Gesetzliche Grundlagen: (IVHSM)
Konstitution HSM-Kommission
Art 39 KVG

Die HSM-Kommission (Beschlussorgan BO)
Die HSM-Kommission besteht aus den Gesundheitsdirektoren der 5 Kantone mit Universitätsspitälern und weiteren 5 aus Kantonen mit grossen Zentrumsspitälern (aktuell FR, AG, TI, LU, SG) unter dem Vorsitz von Frau Heidi Hanselmann, SG.

HSM Fachorgan (FO)
Das HSM-Fachorgan soll wissenschaftlich beratend dem Beschlussorgan zur Seite stehen. Diesem Gremium gehören wiederum nur Fachleute von Uni- und öffentlichen Spitälern an. Wie ausgewogene Empfehlungen bei jeweils nur einem Vertreter einer bestimmten Fachrichtung möglich sind, und woher diese eine Person die Legitimation nimmt, für ein ganzes Fachgebiet stellvertretend zu befinden, bleibt fragwürdig bis nebulös.

Definition HSM
Die HSM wird in der IVHSM folgendermassen definiert (1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen; Artikel 1, Zweck): „Diese umfasst diejenigen medizinischen Bereiche und Leistungen, die durch ihre Seltenheit, durch ihr hohes Innovationspotential, durch einen hohen personellen oder technischen Aufwand oder durch komplexe Behandlungsverfahren gekennzeichnet sind. Für die Zuordnung müssen mindestens drei der genannten Kriterien erfüllt sein, wobei immer aber das der Seltenheit vorliegen muss.“

 
 
HSM
 
 
HSM-BO
 
 
HSM-FO