Qualitätssicherungsmassnahmen in der Herzchirurgie -
Ich glaube nur derjenigen Statistik, die ich selber gefälscht habe!

Viel wird diskutiert über die Qualität in der Medizin, auch in der Schweiz. Dabei erschöpfen sich die Diskussionsargumente v.a. bei Behörden und Politikern in der schon fast gebetsmühlenartigen Wiederholung falscher Aussagen, wie "Fallzahlen erhöhen die Qualität - denn, wer oft das Gleiche macht, ist darin besser…". 


Die heutzutage durchgeführten Qualitätsmessungen in der Medizin sind in manchen Beziehungen allerdings auch kaum brauchbar genug für sichere Aussagen und repräsentative Vergleiche.


Dies hat viele Gründe:

Die Qualität ist schlecht messbar, zB durch schlecht definierte oder schlicht undefinierbare Ergebnisse

Selbsterfassung:  Die eigenen Daten werden selbst erhoben. 

Monitoring ungenügend: Es findet keine Kontrolle der Qualitätserfassung von unabhängigen Dritten statt.

Keine Indikationsüberprüfung: Es findet keine Überprüfung der Notwendigkeit einer Behandlung statt.

Keine Risikokorrektur: Ergebnisdaten werden nicht mit bekannten vorbestehenden, das Ergebnis beeinflussenden Faktoren korrigiert.

Auswertungen ungenügend: Zu lange Periodik der Auswertung, zB nur einmal jährlich; ungenügende Statistikmethoden

Eigene Qualitätserfassung mit Produktion von Datenfriedhöfen, statt validierte, internationale Programme

Missbrauch von Daten für politische oder andere Massnahmen: Interpretation durch Laien, Weglassen von "unerwünschten" Resultaten etc.

Fälschung von Daten: Immer ein Thema, v.a. bei Selbsterfassung

Beschränkte Interpretationsmöglichkeit für Laien:  Resultate nur für Experten einsehbar und verständlich.


Demnach sollte eine halbwegs ernstzunehmende Qualitätskontrolle all diese Schwächen nicht aufweisen. 

Was konkret zeichnet also eine seriöse Qualitätskontrolle aus?


Nicht nur Ergebnisqualität messen - auch Indikationen überprüfen!

Die Qualität soll konsequent auf allen Ebenen der medizinischen Behandlungen gemessen werden. D.h. es soll nicht nur – wie vielerorts praktiziert – die Ergebnisqualität gemessen werden, also Daten über Mortalität, Komplikationen, Patientenzufriedenheit etc., sondern auch die Indikationsqualität, also die Erfassung darüber, weshalb genau was behandelt wird. Die Indikationsqualität ist nicht einfach zu messen, da sie von Experten überprüft werden muss und einen grossen Aufwand bedeutet. Trotzdem ist sie integraler Bestandteil einer umfassenden Qualitätsmessung, gerade auch, wenn es darum geht, nachweisen zu können, dass keine Überbehandlung (unnötige Therapien, Überarztung) stattfindet. In den USA wird die Indikationsqualität in der grössten Krankenhausgruppe, den National Veterans Administration Hospitals, so gemessen, dass unangemeldete Audits in den Spitälern stattfinden, bei denen Expertengruppen die Indikationen aller in einem bestimmten Zeitraum durchgeführten Operationen überprüfen. 


Datenerfassung, Monitoring - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
Die Datenerfassung in der CH weist häufig gravierende Mängel auf. So erfassen die meisten Leistungerbringer ihre Qualitätsdaten selbst. Dabei können sie der grossen Versuchung unterliegen, ihre Ergebnisse zu schönen. Z.B. können Patienten vor dem Eingriff durch falsche Angaben ihres Vorzustandes kränker gemacht werden, um damit die Ergebnisqualität zu schönen. Auch können die Ergebnisse optimiert werden, indem nicht alle Komplikationen erfasst werden. Die Lösung heisst hier ganz klar: Fremderfassung durch unabhängige Organisationen. Das ist zwar teuer und aufwändiger, würde aber viele Ergebnisse ins rechte Licht rücken. In der CH gibt es jedoch kein entsprechendes, externes Monitoring und der Schummelei ist damit Tür und Tor geöffnet. Es ist auch nicht möglich, wie von verschiedenen Seiten schon behauptet wurde, die Qualitätszahlen unter Zuhilfenahme der DRG-Codierungen zu überprüfen oder sogar zu ersetzen. Denn die DRG-Codierung ist zum Zweck der Leistungserfassung zur Fallabrechnung geschaffen worden und funktioniert nach ganz anderen Kriterien. Wir haben die beiden Methoden direkt miteinander verglichen und eine Übereinstimmung von lediglich 30% gefunden!


Statistisch geeignete und angewandte Methoden - Risikoanpassung!
Es ist nachvollziehbar, dass es viele Gebiete in der Medizin gibt, bei denen eine objektive und umfassende Qualitätserfassung sehr schwierig ist, zB in der Psychiatrie. Dies gilt aber nicht für invasive Behandlungen, d.h. für Operationen und interventionelle Eingriffe. Hier ist zumindest die Ergebnisqualität etabliert. In der Herzchirurgie sind wir sogar soweit, dass die Mortalitätsraten Risiko-angepasst ausgewiesen werden können. Dies ist sehr wichtig, denn ohne diese Risikoanpassung kämen Kliniken mit höheren Mortalitätsraten aufgrund der Behandlung von Patienten mit erhöhten Risiken im direkten Vergleich schlechter weg, wohingegen solche, die sich auf die Behandlung leichterer Fälle beschränken, besser daständen. Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie das Mortalitätsrisiko in der Herzchirurgie beeinflussen, werden in statistischen Verfahren zur Berechnung des zu erwartenden Mortalitätsrisikos berücksichtigt. Die dann tatsächlich beobachtete wird dann mit der statistisch erwarteten Mortalitätsrate verglichen. Liegt eine Klinik mit der tatsächlichen Mortalitätsrate unter der erwarteten, hat sie gut bearbeitet, liegt sie hingegen höher, dann stimmt etwas nicht. Dieser Vergleich kann auf verschiedene Art gezogen werden. Die meisten Kliniken beschränken sich auf die periodische Überprüfung ihrer Resultate, meist jährlich. Dies ist insofern problematisch, als erst spät auf mögliche Fehlentwicklungen reagiert werden kann. Viel besser ist es, laufend diesen Vergleich anzustellen. Dafür gibt es auch geeignete statistische Instrumente, deren Entwicklung aus der Fertigungsindustrie stammt, wo rasch auf Schwankungen in den Fertigungstoleranzen reagiert werden muss. Bekannt ist v.a. die CUSUM –Analyse, die modifiziert als sog. CRAM –Analyse auch in der Herzchirurgie angewendet werden kann. 


Benchmarking  - Lasst uns vergleichen!
In der Herzchirurgie kennen wir auch internationale, validierte Datenbanken zur Qualitätskontrolle. Diese erlauben eine Datenerfassung aller zur Risiko- und Resultatanalyse nötigen Faktoren und ermöglichen ein internationales Benchmarking mit allen, am jeweiligen Programm teilnehmenden Kliniken. Dies lässt wertvolle Quervergleiche und Standortbestimmungen für die eigene Klinik zu. In der CH hat sich unsere Fachgesellschaft leider – typisch schweizerisch - dafür entschieden, seit 2015 ein eigenes Register aufzubauen, statt sich einem internationalen Programm, was sich schon 20 Jahre und länger bewährt, internationale Vergleiche zulässt und sicher günstiger ist, anzuschliessen. Dieses CH-Register steckt noch in den Kinderschuhen und verfügt über nur begrenzte Auswertungsmöglichkeiten. Trotzdem werden seine Daten den Behörden geliefert, die eigene Interpretationen der Resultate vornehmen, die leider mehr politisch gefärbt sind, als fachkundig neutral. Daraus dann allfällige Verbesserungsmassnahmen oder gar Sanktionen abzuleiten, wäre sehr fragwürdig und unseriös. Es droht auch hier die Anlage eines Datenfriedhofs durch sammeln nutzloser Daten. 


Patientennutzen!
Zur Verbesserung der Transparenz wäre es von Patientenseite auch wünschenswert, Qualitätsanalysen für Laien verständlich präsentiert zu bekommen, damit diese bei einem Therapieentscheid berücksichtigt werden können.

Es darf zuguterletzt aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass in vielen Bereichen in den letzten Jahren grosse Anstrengungen zur Qualitätssicherung in der Medizin unternommen wurden, so zB im Bereich der Chirurgie (AQC AQC), Hausarztmedizin (QBM QBM) oder etwa der Spitalhygiene (SwissNoso SWISSNOSO).



CRAM Erklärung

Erklärungen zur Interpretation einer Risiko-angepassten CUSUM Mortalitätskurve. Überlebt ein Hoch-Risiko-Patient (ein Patient mit einer hohen erwarteten Sterbewahrscheinlichkeit), steigt die Kurve um diese erhöhte Risikopunktzahl nach oben; überlebt ein NIedrig-Risiko-Patient, steigt die Kurve demnach nur um die geringe Risikopunktzahl an. Umgekehrt verhält es sich, falls der Patient stirbt: Stirbt der Hoch-Risiko-Patient, sinkt die Kurve um eine kleinere Risikopunktzahl als wenn der Niedrig-Risiko-Patient verstirbt. 

Darstellung hier umgekehrt zu den Kurven in der rechten Spalte!

 
 

CUSUM Kurven

CUSUM in der Herzchirurgie

Sogenannte zweiseitige Risiko-angepasste CUSUM-Kurve für Herzchirurgie

CUSUM: Kumulierte Summe eines Effekts als sequentielle Analysemethode CUSUM wikipedia

Cusum for Surgeons

CUSUM-Kurve zweier Chirurgen: Die Nulllinie bedeutet "erwartete Mortalität = erzielte Mortalität". Alles darüber ist zu hohe Mortalität, darunter ist besser als erwartet. 

Die obere fette Kurve zeigt einen Chirurgen mit erhöhter Mortalität bei den ersten ca 300 Patienten. Deutliche Verbesserung nach ca 200 Patienten und schliesslich ab ca dem 300. Patienten akzeptable Resultate. 

Die untere dünne Kurve zeigt die Mortalität bei einem sehr guten Chirurg, der die erwartete Mortalität ab Beginn der Qualitätsmessung unterbietet und damit mehr Leben rettet als erwartet. 

cusum with confidence limits

CUSUM-Kurve mit ergänzten Linien, die eine gewisse statistische Streuung berücksichtigen. Alle Resultate innerhalb von +2.5 und -2.5 können je nach Definition der tolerierten Standardabweichung als akzeptabel gewertet werden, weil sie einer zufälligen Streuung angerechnet werden können. Darüberliegende Resultate sind definitiv schlecht, darunter durch überdurchschnittliches Können sehr gut. Die gleichen Chirurgen wie in der obigen Abb.